Verzweifelt suche ich nach einer Wäscheklammer, bevor sich auch das nächste Blatt vom Notenständer verabschiedet.
Ich finde es schön, im Sommer Open Air Gottesdienste zu veranstalten, aber nun sind wir durch die COVID-19-Pandemie noch häufiger als sonst auf gutes Wetter angewiesen. Viele Veranstaltungen können nur im Freien stattfinden. Viele Familien finden mit ihren Tauf- und Hochzeitsgesellschaften in den Kirchen nicht ausreichend Platz, um die Hygienestandards einzuhalten und verlegen ihre Festgottesdienste ins Freie.
In diesem Sommer weht ein anderer Wind: Ausgefallene Konzerte, Autokino-Gottesdienste, Geisterspiele, veränderte Urlaubspläne oder Einschulungen ohne Schultüte – vieles, was wir so nicht geplant hatten. Und bei manch Einem schleicht sich ein Gefühl von Ohnmacht ein. Als ob das, was dem Leben Halt gibt, die Routinen, die gewohnten Abläufe und Sicherheiten plötzlich wegbrechen.
Das gut einstudierte Notenblatt segelt langsam vom Notenständer hinab und ich merke plötzlich, wie abhängig ich bin – in so vielerlei Hinsicht.
Wie oft denken wir Menschen, wir könnten alles kontrollieren. Doch in Wirklichkeit sind und bleiben wir Geschöpfe, die darauf angewiesen sind, dass sie getragen, gehalten und manchmal auch fest angeklammert werden, um nicht beim nächsten Lufthauch die Orientierung zu verlieren. Gott will uns diesen Halt geben. Als Menschen müssen wir gar nicht alles kontrollieren. Sondern da ist einer, der uns auffängt und auf den wir vertrauen können.
Ich muss gestehen, dass ich im Auswendig spielen wirklich eine Niete bin. Selbst bei ganz bekannten Liedern und Arrangements, die ich schon tausende Mal gespielt habe, bin ich ohne Noten aufgeschmissen. Wenn der Windhauch dann das Notenblatt vom Ständer weht, ist die Musik aus. Deshalb habe ich mir nun wieder neue Klammern und Magnete in den Koffer gelegt, um auch gut durch diesen so unberechenbaren Sommer zu kommen, mit all seinen unvorhergesehenen Stürmen. Doch ein paar Melodien gibt, es, die mir so vertraut sind, dass ich meine Stimme auch ohne Notenblatt weiter halten kann. Dazu gehört der Choral „Großer Gott wir loben dich“ (EG 331); der erste Choral, den ich als Anfängerin im Posaunenchor mitspielen durfte. In dieser ungewissen Zeit gibt mir mein Glaube halt. Auch, wenn alles Wegbricht, ist da eine Klammer, die hält, eine Melodie, die weiter erklingt – Einer, der mich hält und auffängt. In der elften Strophe des Chorals heißt es:
„Herr, erbarm, erbarme dich.
Lass uns deine Güte schauen;
deine Treue zeige sich,
wie wir fest auf dich vertrauen.
Auf dich hoffen wir allein:
Lass uns nicht verloren sein.“
Auch die Planungen für unser Posaunenwerk bleiben etwas ungewiss. Ab wann werden wir wieder wie gewohnt proben und Konzerte geben können? Wird die Welt nächsten Sommer, wenn der Landesposaunentag dann nachgeholt wird und wir mit den Jugendlichen auf Sommerfreizeit fahren endlich wieder „normal“ sein? Wie es auch weitergeht, wir müssen diesen Weg nicht alleine gehen. Wir gehen zusammen, wenn auch auf Distanz, und wir gehen mit Gott an unserer Seite, der uns durch alle Unsicherheiten hindurch Halt gibt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch eine schöne und gesegnete Sommerzeit!
Ihre / Eure