In diesen Tagen habe ich meine alten CDs wieder herausgekramt und sortiert. Weil ich, wie die meisten von uns, plötzlich mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringe, weil ich plötzlich Zeit für so etwas habe und weil ich im Internet auf so viele zur Corona-Thematik umgedichtete Songs gestoßen bin, dass ich Lust hatte mal wieder die Originale „von damals“ zu hören. Durch die Musik in eine andere Zeit versetzt.
Allein im Wohnzimmer und doch verbunden mit den Musikern und all den anderen, die diese Songs kennen. Mit Songtexten von vor 20 Jahren, die ich heute sicher mit ganz anderen Ohren höre, aber die trotzdem genau jetzt passen und Trost spenden.
Viele Musiker und Künstler stehen jetzt plötzlich vor Existenzsorgen. Wie Geld verdienen, wenn doch alle Konzerte und Veranstaltungen abgesagt sind? Wie planen, wenn doch niemand weiß, wie lange diese Situation noch anhält. Menschen verzichten freiwillig auf die Rückerstattung ihrer Konzertkarten und es werden kostenlose Live-Konzerte im Internet gegeben, um zu zeigen: Auch, wenn all das abgesagt ist, ist die Musik, ist der Zusammenhalt und ist die Hoffnung nicht abgesagt! „Social distancing“, heißt das neue widersprüchliche Motto, dass uns in dieser Zeit verbindet. Plötzlich gibt es einen Aufschwung der Digitalisierung und unser Landesposaunenwart schickt online Sonntagsgrüße über Facebook. Vieles, was noch vor ein paar Tagen schier unmöglich schien, ist plötzlich zur Realität geworden.
Die Welt verlangsamt sich, die Erde atmet auf. Und doch haben sich die Ereignisse in den letzten Tagen so überschlagen, dass die Seele kaum hinterherkommt. Die Welt ist eine andere geworden. Manche müssen in ihren Berufen täglich mit großen Herausforderungen kämpfen, andere haben auf Home Office umgestellt oder sitzen durch Kurzarbeit Zuhause. Für viele Menschen ist plötzlich mehr Zeit für die Familie da. Zeit, die sonst immer zu kurz gekommen ist. Aber es ist gar nicht so einfach zu wissen, wie man diese Zeit nun auch sinnvoll füllen soll. Das alte Brettspiel wieder hervorkramen? Oder das 1000 Teile Puzzle, das uns Oma schon vor Jahren geschenkt hat? Und so mancher fühlt sich mit der neuen Situation erst einmal überfordert. Dass die Kirchen sonntags geschlossen bleiben fühlt sich sehr komisch an. Suchen und brauchen wir nicht gerade jetzt, in dieser sorgenvollen Zeit die Gemeinschaft und das Gebet? Und doch, wenn ich jeden Mittag die Kirchturmglocken läuten höre, nehme ich die Passionszeit in diesem Jahr vielleicht sogar deutlicher war, als in den Jahren zuvor. Nicht nur an Karfreitag, sondern jeden Tag sind Clubs und Bars geschlossen. Es findet eine Zeit des Verzichts und der Einkehr statt. Viele Freiheiten sind uns in diesen Tagen genommen, aber ganz andere sind wiederum hinzugekommen. Und viele Menschen schicken jeden Tag kleine Mutworte oder ähnliches an Freunde und Verwandte herum. Vor Altenheimen spielen einzelne Bläser/innen, um trotz der Besuchsverbote einen Gruß zu hinterlassen. Ja, Ostern bleiben die Kirchengebäude geschlossen, aber die Kirche und die Gemeinschaft der Gläubigen ist trotzdem da. Ja, Ostern werden wir nicht in unseren Posaunenchören musizieren. Aber musiziert wird trotzdem, von vielen Orten, mit vielen Menschen. Vielleicht magst auch Du mit einstimmen und am Ostersonntag mit tausend anderen gemeinsam um 10:15 Uhr aus dem Fenster oder vom Balkon blasen: „Christ ist erstanden!“ (EG 99). Damit die Osterbotschaft gegen all die Sorgen, gegen Krankheit und den Tod in diese Welt hinausposaunt wird.
„Christ ist erstanden
Von der Marter alle.
Des wolln wir alle froh sein;
Christ soll unser Trost sein, Kyrieleis“
Eure / Ihre
Anne-Lisa Hein
Stellvertretende Landesobfrau

