Der Weihnachtsfestkreis ist vorbei, wir gehen auf die Passionszeit zu. So sagt es der Kirchenjahreskalender. Mir geht es so, dass ich mich durch die immer länger währende Ausnahmesituation in der Pandemie, durch den Lockdown und seine Verlängerung(en) auch schon im Weihnachtsfestkreis manchmal eher wie in der Passionszeit, in der Fastenzeit gefühlt habe und immer wieder fühle, egal was der Kalender sagt.
Der Verlag „Andere Zeiten“ gibt jedes Jahr Material heraus, um die Wochen vor Ostern auch spirituell bewusst zu gestalten – und jedes Jahr wird als Werbematerial dafür ein Tierfoto mit einem „untierischen Accessoire“ oder einer überraschenden Mimik kreiert (dieses Jahr eine Schneeeule mit einem lachenden bis wahnsinnigen Gesichtsausdruck), das aber jedes Jahr mit dem selben bekannten Ausspruch von Ödön von Horvath versehen wird: „Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu.“ Jedes Jahr wieder finde ich die Fotos kreativ und sie bringen mich zum Schmunzeln und jedes Jahr wieder bringt mich der Ausspruch zum Nachdenken, vor allem das erste Wort darin: „Eigentlich“ – besonders auch in diesem Jahr unter der weiter andauernden Pandemie. Was ist denn „eigentlich“? Wann ist „eigentlich“? Wie müssen die Verhältnisse sein, damit ich wieder „eigentlich“ sein kann? Welche Art von Normalität verbinde ich eigentlich mit „eigentlich“?
Es wird nie wieder eine Zeit wie „vor Corona“ geben, sondern nur „mit Corona“. Die Herausforderung ist es, auch diese Viruserkrankung in unser Leben zu integrieren – je einzeln und als Gesellschaft wie auch als Weltbevölkerung. Manchmal bin ich ganz optimistisch und denke: „Das klappt alles schon.“ Und dann wieder bin ich doch eher mutlos und zerknirscht, weil der Lockdown wieder verlängert wird und das mit dem Impfen nicht so flutscht wie erhofft. Dann fühle ich mich so, wie die Schneeeule guckt.
Und trotz der besonderen Situation, in der wir uns befinden und meinen Gedanken und Stimmungen dazu, findet ja Leben in der Gegenwart, im Hier und Jetzt statt. Und das gilt es zu meistern, zu gestalten.
Um einen Weg in dieser Zeit zu finden hilft mir immer wieder das Wort aus dem Lukasevangelium, Kapitel 6, Vers 36, das unsere Jahreslosung 2021 ist: „Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ Dieses Bibelwort empfinde ich als einen weiterführenden Hinweis, eine Anleitung zum Leben und auch zum Glücklichsein. Denn Barmherzigkeit ist kein Status, keine Haltung, sondern ein Tu-Wort. Barmherzig sein kann ich nur im Handeln (natürlich mit Denken und Fühlen im Hintergrund). Und barmherzig sein, das brauchen wir, das brauche ich. Gerade in diesen Zeiten hilft es, dass wir barmherzig miteinander umgehen, um das Miteinander positiv gestalten zu können. – nicht immer auf dem eigenen Recht beharren, die Fehler der anderen nachsehen, zugestehen, dass auch andere nicht immer gut drauf sind und vieles mehr. Und ich merke: So gut und gemeinschaftsfördernd es ist, dass ich anderen gegenüber barmherzig bin, so wichtig ist es auch, mit mir selbst barmherzig zu sein und mich nicht zu überfordern. So werde auch ich meinen Weg finden und auch in diesen Zeiten gute Momente erleben können.
„Eigentlich“ ganz einfach, oder?